Es gibt eine sehr simple Methode, die einem erlaubt zu prüfen, ob der Experte weiß, wovon er spricht – und zwar die Frage nach dem Unterschied zwischen dem Durchnitt und dem Median.
Kaum zu glauben, aber vielen „Experten“ ist dieser Unterschied nicht (mehr?) geläufig.
Wenn der Leser dieses Blogs also einen Experten (Forscher, Arzt, Wirtschaftswissenschaftler usw.) vor sich hat, der etwas über den Durchschnitt erzählt, wäre eine Frage nach dem Medianwert unbedingt angebracht. Wenn dieser Experte den Unterschied nicht zu kennen scheint: einfach weglaufen…
Was ist der Median und wo liegt der Unterschied zum Durschnitt?
Nehmen wir mal an, in einem Land „Statistikstan“ leben fünf Menschen. Sie sind ziemlich reich, denn sie verfügen über ein durchschnittliches Einkommen von fast 1,5 Millionen Euro pro Monat!
Jetzt gucken wir uns mal das Bild an, wie die tatsächliche Struktur dieser Einkommensverteilung im Statistikstan ausschaut:
Jetzt ist alles klar. Vom Prinzip nur die letzte Person in der Reihe verdient dieses hohe Einkommen. Der Rest der Bevölkerung im Statistikstan verdient dagegen eher wenig bis sehr wenig.
Wieso geben dann die Zeitungen und Statistiker das durchschnittliche Einkommen in einem Land überhaupt an? Ich kann mir das auch nicht erklären, denn der Durchschnitt in diesem Bereich sagt wenig bis gar nichts aus.
Hier kommen wir zum Median.
Median ist einfach der in der Mitte „stehende“ Wert in einer Reihe der Werte. In Statistikstan ist die dritte Person der Median:
Hier beträgt die mittlere Größe (Median) schon einen realistischeren Wert von 1.300 Euro
So ein Phänomen wie in Statistikstan ist durchaus in der Praxis anzutreffen.
Der Durchschnitt in Heilbronn
Die Stadt Heilbronn hat offenbar das höchste durchschnittliche Einkommen pro Kopf in Deutschland. Bevor wir jetzt aber alle kollektiv nach Heilbronn umziehen, muss man wissen, dass dieses Einkommen durch einen Menschen generiert wird und zwar Herrn Dieter Schwarz. Herr Schwarz gründete seinerzeit die Firma „Lidl“. Die Süddeutsche Zeitung hat darüber einen Artikel geschrieben „Dieser Mann ist so reich, dass Statistiken seines Wohnorts wertlos sind“.
Aus diesem Grund sollten jedem Leser dieser Website immer die Alarmglocken läuten, sobald er/sie von Experten und in den Medien etwas mit dem Wort „Durchschnitt“, „durchschnittliches“ hört.
Denn in unserer Welt gibt es (leider?) immer weniger Phänomene, die sich durch den Durschnitt leicht erklären und definieren lassen. Das lässt sich am Besten an den bestimmte Berufen verdeutlichen. Zum Beispiel verdienen die meisten Schauspieler wenig, es gibt aber einige wenige Stars, die sehr große Gagen verlangen können. Auch gehen neun von zehn neuen Unternehmen (startups) nach einigen Jahren pleite. Nur die Wenigen überleben und noch weniger sind dann die sogenannten Unicorns, wie Facebook oder Google.
Aufgrund von zunehmender Digitalisierung und der Skaleneffekten werden die Auschläge nach unten und oben vermutlich in Zukunft noch drastischer ausfallen. Wir sollten deswegen nie dem Durschnitt vertrauen und immer wenigstens auch nach dem Median fragen.
Auch beim Arzt.
Durschnitt und Medikamentenbehandlung
Ein weiteres Beispiel, wo der Durchschnittwert problematisch sein kann, ist die angegebene Lebenserwartung bei verschiedenen medizinischen Behandlungen. Hier meine ich vor allem diverse Krebsbehandlungen. Darüber werde ich in kommenden Posts ausführlicher schreiben. Hier gebe ich nur ein kleines abstraktes Beispiel, was ich damit meine.
Es könnte zum Beispiel sein, dass die durschnittliche Lebenserwartung von Krebspatienten bei medikamentöser Behandlung mit dem Medikament „A“ 10 Jahre beträgt. Man könnte ja daraus schließen, dass die Krebspatienten im Durchschnitt dann eben alle 10 Jahre lang leben.
Es könnte aber auch sein, dass einige wenige Krebspatienten aus dieser Gruppe weit über den Durschnitt mit ihrer Lebenserwartung gehen, aber der Großteil der Krebspatienten dann doch eine viel kürzere Lebenserwartung als die angegebenen 10 Jahre hat.
Deswegen sind in solchen Fällen mehr Daten als der schlichte Durchschnitt erforderlich.
Hier würde auf jeden Fall die Angabe des Medians helfen, denn dann sehen wir viel eher, wie die statistische Verteilung dieses Durschnitts in der Praxis ausschaut.
Ist es eher so?
Oder eher so?
Für Krebspatienten, die ihre Behandlung zum Teil selbst finanzieren wollen und auf Kosten achten müssen, spielt so eine Frage eine große Rolle.
Am Ende des Tages ist der Durchschnitt eine trügerische Größe, weil sie nicht schaut, welche Werte in einer statistischen Verteilung tatsächlich in der Mitte anzutreffen sind, sondern alleine darauf abstellt, wie der rechnerische Mittelwert aus verschiedenen Einzelwerten ausschaut. Belastbare Aussagen über die Einkommensverteilung, die Lebenserwartung im Hinblick auf eine bestimmte Medikation lassen sich über den Durchschnitt nicht unbedingt ermitteln. Das bietet erst der Median.
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